Wer an Metal Festivals in Deutschland denkt, denkt mit Sicherheit an Wacken, Summer Breeze oder Bang your Head. Das METALACKER im kleinen Tennenbronn, mitten im Schwarzwald, haben dabei nur wenige auf der Agenda. Und das obwohl es das METALACKER schon seit 2012 gibt und die Besucherzahlen mit zuletzt bis 3.000 Metalfans beachtlich sind. Auch das Line Up war in diesem Jahr wieder vom allerfeinsten. LORD OF THE LOST, RAGE, SERENITY und SONATA ARCTICA um einige Top Acts zu nennen. Das war Grund genug für uns, sich auf den Weg in den Süden zu machen, um das für euch zu testen.
Freitag, 26. August
Schon die Anfahrt war mehr als spannend – das Unwetter sorgte dafür, dass wir mit Verzögerung loskamen. Obwohl die vom Veranstalter genannte Adresse schnell ins Navi eingetippt war, je näher wir dem Zielort kamen, umso größer wurden die Zweifel, die uns beschlichen. Wege mitten durch den Schwarzwald, abseits jeglicher Zivilisation. Keinerlei Hinweisschild. Waren wir hier wirklich richtig? Dann endlich: Menschen in dunkler Kleidung und Bandshirts: Gleichgesinnte! Welch eine Erleichterung! Kurz darauf erschien dann schon der Parkplatz und wir konnten ein erstes Lob für die hervorragende Organisation in Form des Parkplatz zuweisens verteilen.
Endlich waren wir da und haben zwar BLVCKWOOD aufgrund unserer Verspätung verpasst, freuten uns jetzt jedoch so richtig auf zwei Tage voller guter Musik. Schnell in festeres Schuhwerk gewechselt und auf zum Einlass, um dort auf eine lange Schlange wartender Metalheads zu treffen. Vom Festivalgelände konnten wir schon DEFOCUS hören, die dort ihr Bestes gaben. Nach einiger Zeit schaffte ich es meinen Presseausweis zu erhalten, meine zwei Begleiter warteten derweil immer noch geduldig. Nach etwa einer Stunde konnten auch Sie ihr Printticket gegen das wirklich stylische Festival-Bändchen tauschen. Außerdem gab es noch ein grünes Papierbändchen, für alle über 18, damit klar war, dass man an den Getränkeständen Alkohol bekommen durfte. Vom Prinzip her eine gute Idee und wir fühlten uns ein wenig geschmeichelt, dass man uns scheinbar nicht direkt ansieht, dass wir über 18 sind. Aber gut, bei der heutigen Jugend kann man sich ja nicht immer sicher sein und hach, wir Metalfans sind eben alle im Herzen jung. Schade nur, dass sich der Einlass dadurch so in die Länge gezogen hatte, dass wir nur noch die letzten Klänge von DEFOCUS hören konnten, bevor sie zum obligatorischen Gruppenbild aufriefen und die Bühne freigaben.
Wir nutzten die Zeit, um uns in Ruhe ein Bild vom Festivalgelände zu machen. Eine traumhafte Kulisse! Das musste man erstmal wirken lassen. Zur Bühne abfallend war das Gelände in wunderschöne Schwarzwald Atmosphäre eingebettet. Auf der Veranstaltungswebsite wurde es beschrieben als einen “schönen Naturhang, welcher einem Amphitheater schon recht nahekommt.” Da gibt es nur wenig hinzuzufügen. Die Bühne war von fast überall auf dem Gelände einsehbar. Alleine für diese Kulisse sollte man mal auf dem METALACKER gewesen sein.
Für den nächsten Act zog es uns dann direkt vor die Bühne. SERENITY, die Symphonic Metaller aus dem wunderschönen Tirol, waren – so auch Zitat des Frontmanns Georg Neuhauser – mit Sicherheit die softeste Band im freitäglichen Line-Up. Keine leichte Aufgabe, die gekonnte Interaktion zwischen Neuhauser und dem Publikum, insbesondere einem jungen Mann im Brautkleid, machten jedoch klar: an SERENITY kommt man nicht so leicht vorbei. Man muss kein Symphonic Metal Fan sein, aber die erstklassigen Songs und der charismatische Frontmann machten einfach Laune. Bassist Fabio D‘Amore, Drummer Andreas Schipflinger und Ersatz-Gitarrist Rafael Trujillo (SERENITYS Gitarrist Christian Hermsdörfer war an diesem Abend mit Beyond the Black in der Schweiz, um ein Festival zu Headlinen) sowie eben Georg Neuhauser spielten ein Set aus Klassikern wie “Velatum” und “Legacy of Tudors”, sowie neuere Songs wie “Set the World on fire” und “Souls and Sins”.
Mit der erst kürzlich als Single veröffentlichten Ballade “In the name of Scotland” stießen die vier Mannen nicht bei Allen auf Begeisterung, aber spätestens als Georg Neuhauser sich bei “Spirit in the Flesh” zum Crowdsurfen in bzw. auf die Hände der Menge begab war auch dieses kleine Minus-Pünktchen schnell wieder vergeben. Bei ”United” und “Lionheart” sang das Publikum begeistert mit und ließ sich – trotz einsetzendem Regen – komplett mitreißen. SERENITY – das hat Spaß gemacht.
Mittlerweile hatte der Regen an Stärke gewonnen und das ein oder andere Regencape wurde ausgepackt. Wer keines dabei hatte, war am Merchstand gut aufgehoben. Außer dem Band eigenen Merch-Ständen gab es einen Stand nur für Festival Merch. Die Auswahl war groß, vom Klassiker wie dem Festival Shirt bis hin zum dringend benötigten Regen Cape. Die Damen im Dirndl (Achtung, hier handelte sich um Schwarzwälder Tracht, definitiv nicht mit den bayerischen Kleidungsstücken verwechseln) waren nicht nur hübsch anzuschauen, sondern auch noch überaus freundlich und für den ein oder anderen Geldbeutel beklagenswerter weise sehr geschäftstüchtig.
Vom Regencape jetzt gegen Wasser von oben geschützt, war es höchste Zeit, Flüssigkeit von innen aufzufüllen und so machten wir uns auf, um Getränke- und Essensangebot zu testen. Hier durfte das Rothaus Bier nicht fehlen – wenn die beliebte Brauerei aus dem Südschwarzwald schon Sponsor war. Die Speisenauswahl war klein aber fein. Es war für jeden Geschmack etwas dabei, ob Fleischesser, Vegetarier oder auch Veganer. Auch die Preise waren wirklich human. Lediglich ein kleines Manko war die etwas komplizierte Abwicklung der Bezahlung – erstmal Wertbon zum Abstreichen kaufen, dann Essen oder Trinken ergattern, dann genießen. Spätestens beim Versuch, Getränkenachschub zu holen, wurde klar, dass das System nicht ganz so rund lief. Man fragte uns nach Pfandmarken für die Becher, die hatten wir jedoch vorher nie erhalten. Na ja, so sollte das Pfand halt als Trinkgeld gelten. Wir wollten schließlich Spaß haben und nicht diskutieren. Außerdem hatte der Regen wieder aufgehört und das hob die Laune natürlich um einiges.
Auf der Bühne machte sich mittlerweile die nächste Band bereit. Von Tirol im Süden ging es jetzt an die deutsche Küste hoch im Norden: LORD OF THE LOST aus Hamburg gaben sich die Ehre. Alleine die Outfits versprachen einiges und direkt bei den ersten Tönen wurde klar: jetzt wird es deutlich härter und düsterer. Die Mannen um Frontmann “The Lord” Chris Harms heizten dem Publikum von Anfang an ein.
Der Stil – oftmals als deutscher Dark Rock bezeichnet – traf genau den Geschmack der Festivalbesucher. Die Stimmung vibrierte, die Menge kochte. Fast ein wenig zu viel, denn Sänger Chris Harms ermahnte, beim Circle Pit Rücksicht auf Schwächere zu nehmen. Deutliche Worte – es fiel einem aber auch wirklich schwer bei Songs wie “The Gospel of Judas”, “Under the sun” oder „Six Feet Underground” die Füße still zu halten. Die Melodien von Gitarrist Pi Stoffers, Keyboarder Gared Dirge, der Rhythmus von Drummer Niklas Kahl und Bassist Class Grenade sowie die markante Stimme von Chris Harms animierten selbst den letzten Bewegungsmuffel mitzumachen.
Lag es am Alkohol? Lag es am langen Festival-Entzug? Leider musste schon bald eine neue Ansage her – Chris Harms stoppte hierfür sogar mal eben das Set. Wir stimmten Harms jedoch zu, der klarstellt “Kinder, das geht so gar nicht!” Wir fragten uns, wo ist hier eigentlich die Security?
Nachdem sich die Menge wieder etwas beruhigt hatte, ging es weiter und die Metallherzen wurden mit einem Iron Maiden Cover belohnt. Darf man Maiden covern? Das soll Jeder für sich selbst entscheiden, LORD OF THE LOST gelang es mit “Children of the Damned” jedenfalls wunderbar. Als das Set mit “La Bomba” nach 1,5 Stunden zu Ende war, blickte man in durchweg strahlende Gesichter. Ein gelungener Auftritt des Headliners. Das Publikum war nassgeschwitzt, heiser und happy.
Für BLOODED HOURGLAS und WOLFCHANT reichte es uns dann leider nicht mehr, da der Weg ins Hotel doch noch etwas weiter war und wir am nächsten Tag wieder fit sein wollten. Noch einen letzten Blick auf das Gelände im Nachtlicht. Gute Nacht METALACKER und bis morgen.
Samstag, 27. August
Auch wenn es leider schon seit Stunden regnete machten wir uns auf den Weg zum Festivalgelände. Leider hieß es aber wieder warten am Einlass. Unglücklicherweise hatte sich eines unserer grünen “Ich bin alt genug zum Alkohol trinken” – Papierbändchen durch den vielen Regen vom Vortag aufgelöst so, dass wir es nicht mehr am Arm trugen. Ersatz gab es im Moment nicht mehr, da dem Veranstalter die grünen Papierbändchen ausgegangen waren. Eine Lösung musste her, und diese hieß warten, bis neue Papierbändchen geliefert wurden. Um 17:30 Uhr gab es den langersehnten Nachschub und erst dann durften wir wieder aufs Gelände, obwohl bereits die ersten Bands spielten. Es kam wie es kommen musste – wir hatten MADERA verpasst und SCHERBENZTANZ direkt mit. Alles nur, weil sich das Papierbändchen vom Vortag in seine Bestandteile aufgelöst hatte.
Egal! Der Regen hatte aufgehört und wir schafften es mit grünem Bändchen, trocken und gerade rechtzeitig zu SHARK TANK, der Post-Hardcore/ Metalcore Band aus dem Nürnberger Land, aufs Gelände. Uns wunderte es nicht, dass die fünf Mannen, kurz nach ihrer Gründung im Jahr 2013 den 1. Platz beim Newcomer- Bandfestival eines regionalen Events belegten. Jetzt im Jahre 2022 merkte man deutlich – das sind keine Newcomer mehr!
Sänger Axel Schuhmann, die Gitarristen Daniel Ed Geißler und Philip Frank Pickel, Drummer Martin Grad und Bassist Gökan Khan Sahiner schafften es mit ihrem Mix aus antreibenden Riffs, Breaks und auch klaren Klängen von Anfang an die Menge zu begeistern. So gab es schnell kleinere Circle Pits. Fronter Axel suchte außerdem die Nähe zum Publikum und ehe man sich versah, stand er mittendrin und machte fröhlich Selfies mit den Fans – natürlich während er gekonnt weiter sang. Das gefiel dem Publikum. Unsere Highlights der Setlist waren eindeutig die Songs “Carry on” und “Fade away”, mit dem das abgerundete Set auch schon zum Abschluss kam.
Als nächstes folgte TRI STATE CORNER international besetzt mit Mitgliedern aus Deutschland, Polen und Griechenland. Sie selbst beschreiben ihren Stil als Bouzouki Rock. Sänger Vassilios “Lucky” Maniatopoulos, kündigte erstmal an, dass er kaum geschlafen habe, da er gerade frisch aus Portugal käme und sich Sorgen mache, ob er überhaupt singen kann. Aber er fühle sich nicht heiser. So folgte auch vollkommen souverän ein Song nach dem anderen. Auch Lucky‘s Interaktion mit dem Publikum war äußerst gelungen. Fiel das Wort “Album” sollten Alle laut schreien. Das kam gut an und wurde prompt befolgt. Die Stimmung war wirklich spitze, die Menge tanzte, klatschte und sang laut mit. So war es keine Überraschung, dass nach Songs wie “Sooner or later”, “Run away” und “Daydreamer” dann noch eine Zugabe folgen musste.
Lucky, Janni, Brat und Chris gaben daraufhin beim Titeltrack ihres aktuellen Albums „Stereotype“ noch mal ordentlich Gas. TRI STATE CORNER waren für uns definitiv jetzt schon unser Festival Geheimtipp.
Nun war es Zeit für den ersten Headliner des Samstagabends: RAGE. Die Band um Sänger Peter “Peavy” Wagner ist ein derartiges Urgestein in der Szene, dass man gar nicht mehr viel über sie schreiben muss. Das Infield war gut gefüllt. Kaum waren die ersten Töne gespielt, gab es auch schon einen Circle Pit nach dem anderen und manch Einer begab sich jetzt auch zum Crowdsurfen auf die Hände der tobenden Menge. Songs wie “Black in Mind”, “My Way”, “Back in Time” sowie der Klassiker „From the Cradle to the Grave” wurden lautstark mitgesungen. Und bei “Higher than the Sky” wollten die Chöre gar nicht mehr verklingen. Auch hier musste eine Zugabe her. RAGE verstehen halt ihr Handwerk. Das spürte man. Es macht immer wieder gute Laune, ohne dabei langweilig zu werden.
Kommen wir zum zweiten Headliner des Samstags SONATA ARCTICA. Die Finnen um Frontmann Toni Kakko bedürfen auch keiner langen Vorstellung mehr. Das Set begann eher ruhiger mit Liedern wie “The Wolves die young” und “The last amazing Grays”. Auch wenn Kakkos Stimme besonders bei den getragenen Liedern ihre volle Ausdruckskraft entfalten konnte, war das Publikum zunächst noch verhalten.
Nachdem bei RAGE alle mitgemacht hatten, dauerte es etwas, bis die Stimmung wieder brodelte. Als die Finnen, ihre älteren Stücke wie “Sing in Silence”, “Fullmoon” oder “Kingdom for a Heart” spielten, war das Publikum begeistert. Überall wurde getanzt und gesungen. Kakko bedankte sich noch, bei allen Ticket Käufern dafür, dass sie live music am Leben erhalten und nach “The Cage” und “Don´t say a Word” als Zugaben war dann mit dem obligatorischen “Wodka, we need some Wodka” Chor auch schon wieder Schluss. SONATA ARTICA sind und bleiben eine fantastische Live Band, auch wenn sich deutlich zeigt, dass die älteren Alben eindeutig beliebter sind.
Und nach dem Motto “Wodka, we need some Wodka” hieß es für uns jetzt “Schlaf, we need some Schlaf”. Sorry DER WEG EINER FREIHEIT, das wurde mit uns nichts mehr. Wir sagen Gute Nacht.
METALACKER – alles in allem ein riesen Lob. Bei den großen Festivals könnt ihr definitiv mithalten und wir sind schon jetzt gespannt, wen ihr 2023 auf dem Line-Up habt. Wir sind auf alle Fälle gerne wieder dabei, im schönen Tennenbronn.
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Text: Alexandra Wahl & Mareike Barth
Fotos: Alexandra Wahl